Spätaussiedler und Vertriebene

Spätaussiedler und Vertriebene - Änderung des Bundesvertriebenengesetzes bzgl. der Anerkennung als Spätaussiedler vom 03.10.2017

Spätaussiedler und Vertriebene

Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 08.11.2018 abschließend beraten und beschlossen:

Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.

Begründung

Die Petition zielt darauf ab, die Aufnahme von Spätaussiedlern in die Bundesrepublik Deutschland zu erleichtern.
Hierzu führt die Petentin im Wesentlichen aus, dass die derzeitige Rechtslage im Hinblick auf die Anerkennung als Spätaussiedler im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) mit den Menschenrechten auf Freizügigkeit, Familienzusammenführung, Arbeit und Asyl unvereinbar sei. In der Bundesrepublik Deutschland lebende deutsche Volkszugehörige hätten zum Teil den Status eines ausländischen Staatsangehörigen und somit nur begrenzte politische und soziale Rechte. Weiterhin würden junge Menschen, die nach dem 1. Januar 1993 geboren worden seien, diskriminiert, weil sie nicht mehr antragsberechtigt seien. In der Petition unterbreitet die Petentin folgende Vorschläge zur Änderung des BVFG:
1. Das Aufheben der Wohnsitzvoraussetzungen und der Antragstellungsfrist bei der Ausreise aus dem Herkunftsgebiet.

2. Das Aufheben der Altersbegrenzung des Antragstellers.

3.Das Wiederaufgreifen von wegen der Abstammung abgelehnten Anträge für die Abkömmlinge der Personen zu ermöglichen, die vor dem 10. BVFG Änderungsgesetz bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllt haben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf die eingereichten Unterlagen verwiesen.
Die Eingabe war als öffentliche Petition auf der Internetseite des Deutschen Bundestages eingestellt. Es gingen 463 Mitzeichnungen und 125 Diskussionsbeiträge ein.

Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung – dem Bundesministerium des Innern (BMI) – Gelegenheit gegeben, ihre Ansicht zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich nach eingehender Prüfung der seitens der Bundesregierung angeführten Aspekte wie folgt zusammenfassen:

Der Ausschuss hält einführend fest, dass mit Wirkung vom 14. September 2013 bereits durch das 10. Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes eine Reihe an Erleichterungen für die Aufnahme als Spätaussiedler eingeführt worden sind. Dieses erleichtert nicht nur den Nachzug von Angehörigen des bereits in Deutschland lebenden Spätaussiedlers, sondern auch die Aufnahme von Spätaussiedlern mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten. Noch weiter gehende Erleichterungen hat der Gesetzgeber im Hinblick auf Sinn und Zweck des Vertriebenengesetztes nicht vorgenommen. Im Hinblick auf die einzelnen Änderungsvorschläge nimmt das BMI wie folgt Stellung:

1. Die Petentin rügt die Wohnsitzauflage nach § 4 Abs. 1 und § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG und führt aus, dass diese nicht mit den grundsätzlichen Rechten auf Freizügigkeit, Familienzusammenführung, Arbeit und Asyl vereinbar sei. § 4 Abs. 1 BVFG setzt für die Anerkennung als Spätaussiedler voraus, dass der deutsche Volkszugehörige den Herkunftsstaat “im Wege des Aufnahmeverfahrens” verlassen hat. Der Aufnahmebescheid wird daher gemäß § 27 Abs. 1 S. 1 BVFG grundsätzlich nur Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt. Ausnahmen hiervon können im Fall einer besonderen Härte nach § 27 Abs. 1 S. 2 BVFG erfolgen, wonach Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid in der Bundesrepublik aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt werden kann, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Nach Ansicht der Petentin sollten die Fälle der Einreise in die Bundesrepublik zum Zwecke der Heirat, der Familienzusammenführung, der Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses oder Asyls einen solchen Härtefall darstellen. Die Petentin verkennt dabei den allein kriegsfolgenrechtlichen Zweck des Vertriebenenrechts. Danach ist es sachgerecht, dass der vorherige Wohnsitz von Spätaussiedlern in den Aussiedlungsgebieten liegen muss, da das BVFG insoweit einen Vertreibungsdruck vermutet. Diese Vermutung entfällt folgerichtig bei eindeutigen Anhaltspunkten für eine Ausreise aus vertreibungsfremden Gründen. Die o. g. Beispiele beruhen auf vertreibungsfremden Gründen. Das Bundesverwaltungsgericht hat außerdem in seinem Urteil vom 13. Dezember 2012 – 5 C 23.11 entgegen der Auffassung der Petentin bestätigt, dass die Eheschließung mit einem Deutschen einen Härtefallgrund im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG darstellt, weil das Ansinnen, zum Zwecke der Durchführung des regulären Aufnahmeverfahrens in das Aussiedlungsgebiet zurückzukehren, mit der Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar wäre. Entscheidend sei jedoch, dass der Antrag auf Aufnahme als Spätaussiedler im Bundesgebiet auch in den von § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG erfassten Härtefällen in zeitlichem Zusammenhang mit der Aussiedlung gestellt werden muss. Denn wer erst Jahre nach seiner Ausreise aufdecke, dass er als Spätaussiedler gelten möchte, sei gerade nicht im Wege des Aufnahmeverfahrens, sondern auf anderen Wegen aus vertreibungsfremden Gründen ausgesiedelt. Die Berücksichtigung von Härtefallen darf nicht darauf hinauslaufen, das Merkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben” aufzuweichen. Das entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers. Änderungsanträge im Gesetzgebungsverfahren, die Worte „im Aussiedlungsgebiet verblieben” zu streichen, haben gerade keine Mehrheit gefunden. Das kriegsfolgenrechtliche Vertriebenenrecht ist kein Recht der Einwanderung. Soweit also die vorgeschlagenen Gründe nicht bereits im Regel- bzw. im Härtefallverfahren der Spätaussiedleraufnahme berücksichtigt werden können, verbleiben die Möglichkeiten eines Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland nach den entsprechenden ausländer-, und asylrechtlichen Vorschriften.

Die Petentin rügt zudem, dass durch die aktuelle Rechtslage die Aufnahme von gut integrierten Antragstellern, die die deutsche Sprache auf hohem Niveau beherrschen, verhindert werde. Zudem kritisiert die Petentin, dass diese Personen trotz ihrer deutschen Wurzeln ausländische Staatsangehörige blieben.

Wegen des Zwecks des Bundesvertriebenengesetzes mit seiner oben skizzierten allein kriegsfolgenrechtlichen Perspektive greift die Argumentation der Petentin nicht. Nicht zutreffend ist auch, dass Personen, die sich nach den ausländerrechtlichen Bestimmungen in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, dauerhaft ausländische Staatsangehörige bleiben. Die Möglichkeit der Einbürgerung steht unter bestimmten Voraussetzungen für alle offen und dürfte insbesondere bei der seitens der Petentin aufgeführten Personengruppe, bei langjährigem Aufenthalt in der Bundesrepublik, guter Integration und guten Sprachkenntnissen in den gesetzlichen Fristen erfolgversprechend sein.

2. Weiter führt die Petentin aus, § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG diskriminiere junge Menschen, die nach dem 1. Januar 1993 geboren und damit nicht mehr antragsstellungsberechtigt sind. Mit dem Geburtsstichtag „1. Januar 1993″ in § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG wurde die einzige zeitliche Begrenzung des Spätaussiedlerzuzugs geschaffen. Der Ausschuss merkt an, dass es dem Gesetzgeber durch Art. 3 Abs. 1 GG nicht verwehrt ist, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Einführung des Stichtags überhaupt und die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientieren und damit sachlich vertretbar sind.

Dies ist vorliegend der Fall. Der Geburtsstichtag ist im Hinblick auf die gesellschaftlichen Veränderungen und die ursprüngliche Zielsetzung des Bundesvertriebenengesetzes geschaffen worden. Bei Personen, die nach dem 1. Januar 1993 geboren sind, kann nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass sie Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer Benachteiligungen aufgrund deutscher Volkszugehörigkeit unterlagen und dadurch ein sogenanntes Kriegsfolgenschicksal erlitten haben.

3. Schließlich möchte die Petentin, dass die vor dem 14. September 2013 abgelehnten Anträge für die Abkömmlinge der ursprünglichen Antragsteller im Hinblick auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 5 C 8.07 vom 25. Januar 2008 erneut aufgreifbar sein sollten. In diesem Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass auch derjenige von einem deutschen Staatsangehörigen oder Volkszugehörigen im Sinne des § 6 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BVFG abstammt, der deutsche Großeltern hat. Das Wiederaufgreifensverfahren ist jedoch nur unter besonderen gesetzlichen Voraussetzungen möglich. Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert habe. Hierzu merkt der Ausschuss an, dass eine Änderung der Rechtslage bei einer Änderung eines Gesetzes vorliegt, nicht aber bei einer Änderung der Rechtsprechung durch die Gerichte. Hinsichtlich des Abstammungserfordernisses hat sich die Gesetzeslage durch das Zehnte BVFG-Änderungsgesetz jedoch nicht geändert. Insoweit hat lediglich eine Änderung der Rechtsprechung stattgefunden, die kein Wiederaufgreifen abgeschlossener Fälle erlaubt, sondern bei der Entscheidung neuer Fälle zu berücksichtigen ist.

Der Petitionsausschuss kann die rechtlichen Darlegungen des BMI nicht beanstanden und stimmt ihnen vollumfänglich zu.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Ausschuss daher, die Petition abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.

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